Therapiemethoden im Überblick
Physiotherapie und physikalische Medizin
Neben der medikamentösen Therapie ist die Physiotherapie (Krankengymnastik, manuelle Therapie) fester Bestandteil der Behandlung. Gezieltes, individuell abgestimmtes Mobilisations- und Krafttraining trägt wesentlich zur Schmerzlinderung und zum Erhalt der Beweglichkeit bei. Die individuell an Ihr Krankheitsstadium angepassten Bewegungsübungen sollten Sie auch zu Hause regelmäßig durchführen.
Darüber hinaus können weitere Maßnahmen der physikalischen Medizin (Massagen, Wasser, Wärme- und Kälte-Therapie, Elektrotherapie und gegebenenfalls weitere Therapieformen wie Radon-Therapie) zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Beweglichkeit bei Morbus Bechterew eingesetzt werden.
Am 1. Januar 2021 ist eine überarbeitete Version der Heilmittel-Richtlinie in Kraft getreten.
Heilmittel sind medizinische Leistungen, die von speziellen Therapeuten erbracht werden. Heilmittel unterstützen den positiven Krankheitsverlauf von Patientinnen und Patienten mit Morbus Bechterew. Damit Ihre gesetzliche Krankenkasse die Kosten übernimmt, benötigen Sie eine Verordnung von Ihrem Hausarzt, Rheumatologen oder einem anderen Vertragsarzt.
Zu den Heilmitteln zählen:
Physiotherapie (Bewegungstherapie und Physikalische Therapie, bspw. manuelle Therapie, Wasser-, Wärme-/Kälte- oder Elektrotherapie)
Ergotherapie
Logopädie (Stimm-, Sprech- und Sprach- und Schlucktherapie)
Podologie (medizinische Fußpflege)
Ernährungstherapie
Hier geht es zur Richtlinie: https://www.g-ba.de/richtlinien/12/
Eine Zusammenfassung der Informationen finden Sie hier: 6.16_Heilmittelverordnung.pdf (rheuma-liga.de)
Wärme und Kälte kommen bei der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen häufig zum Einsatz.
Wärme fördert die Durchblutung und mildert so Schmerzen und Steifheit. Zu Hause können sich durch ein warmes Bad vor dem Schlafengehen, eine Wärmflasche, eine Heizdecke oder eine warme Dusche am Morgen Beschwerden bessern. In der medizinischen und therapeutischen Praxis werden Fangopackungen, Infrarotbestrahlung, Elektrotherapie oder ähnliche durchblutungsfördernde Maßnahmen eingesetzt. Bei stationären Heilbehandlungen sind z. B. auch Thermalbäder oder warme Moorbäder möglich.
Auch Kälte ist bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen hilfreich. Kälte wirkt schmerzlindernd und entzündungshemmend und ist daher vor allem während ausgeprägter Entzündungsschübe sinnvoll. Mit Eis- oder Gelpackungen lassen sich einzelne Gelenke behandeln. In der Kältekammer vieler Rheumakliniken wird die ganze Körperoberfläche behandelt, um anschließend unter dem schmerzlindernden Einfluss aktive Bewegungsübungen durchführen zu können, denen vorher der Schmerz im Wege stand.
In verschiedenen Kurorten gibt es Behandlungen mit dem radioaktiven Edelgas Radon (z. T. in Kombination mit Überwärmung), dem viele Morbus-Bechterew-Patienten eine Besserung verdanken. Die Strahlenbelastung ist gegenüber der heilenden Wirkung vernachlässigbar. Detaillierte Informationen zum Thema finden Sie im Buch "Radon als Heilmittel", das Sie bei der DVMB-Geschäftsstelle bestellen können.
Je nach Schweregrad und Verlauf der Erkrankung empfehlen Experten unterschiedliche
Medikamente für die Therapie des Morbus Bechterew.
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind kortisonfreie Medikamente, die gegen Entzündungen und Schmerzen wirken und bei der Behandlung von Morbus Bechterew eine zentrale Rolle spielen. Die Wirkung der NSAR auf Morgensteifigkeit und Schmerzen an der Wirbelsäule und den Gelenken ist gut belegt – viele Beschwerden bessern sich nach der Einnahme deutlich. Manche Mittel wirken mehr entzündungshemmend, andere mehr schmerzstillend.
Da NSAR bei langem Gebrauch Nebenwirkungen verursachen können (z. B. Magenblutungen und -geschwüre, Allergien, Kopfschmerzen oder Schwindel), muss jeder Patient mit Hilfe seines Arztes dasjenige Medikament auswählen, das er am besten verträgt und das ihm gleichzeitig wirksam hilft. Da die Verweildauer des Wirkstoffs im Körper unterschiedlich ist, sollten Sie ein Mittel wählen, das dem individuellen Schmerzverlauf während des Tages angepasst ist.
Eine möglichst niedrige Dosierung bietet den besten Schutz vor Nebenwirkungen. Die Dosis sollte jedoch so gewählt werden, dass Sie nachts gut schlafen und tagsüber Ihre Bewegungsübungen durchführen können.
Cortisonähnliche Medikamente
Die zu den Steroiden gehörenden sogenannten "Glukocorticoide" (mit dem Hormon Cortison verwandte Medikamente) sind noch stärker entzündungshemmend als NSAR. Da eine Dauertherapie aufgrund schädlicher Nebenwirkungen nur selten in Frage kommt, werden sie meist nur im Notfall eingesetzt. Zum Abfangen eines akuten Rheumaschubs kann eine Spritze mit einem steroidhaltigen Medikament hilfreich sein (Stoßtherapie). Bei starken Gelenkschmerzen hat sich die Injektion eines steroidhaltigen Mittels direkt in den Gelenkspalt sehr bewährt, unter Umständen unter Kontrolle der Nadelführung durch Computertomografie oder Sonografie.
Die äußerliche Anwendung eines Glukocorticoids bei einer Iritis (Entzündung der Augen-Regenbogenhaut) stellt kein Risiko dar. Ihre sofortige Anwendung ist zur Erhaltung der Sehkraft unerlässlich.
Basistherapeutika
Eine Basistherapie mit langfristig krankheitsmodifizierenden Medikamenten (Sulfasalazin, Methotrexat usw.), wie sie bei der rheumatoiden Arthritis angewandt wird, spielt in der Behandlung eines Morbus Bechterew eher eine untergeordnete Rolle. Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass Basistherapeutika bei Becherew-Patienten mit alleiniger Beteiligung der Wirbelsäule eine angemessene Wirkung haben. Nur wenn die Krankheit von starken peripheren (außerhalb der Körperachse liegenden) Gelenkentzündungen begleitet wird, z.B. in den Schulter-, Hüft- oder Kniegelenken, ist eine Basistherapie im Einzelfall angezeigt.
Biologika (TNF- Blocker, Interleukin-Hemmer)
Seit Ende der 1990er Jahre wird bei einem sehr aktiven Morbus Bechterew eine neue Klasse von Medikamenten eingesetzt: Biologika sind gentechnisch hergestellte Arzneistoffe, die gezielt gegen bestimmte Entzündungsbotenstoffe gerichtet sind. Die in der Morbus-Bechterew-Therapie verwendeten Biologikas zählen zu den sogenannten TNF-alpha-Hemmern oder den Interleukin-Hemmern (z.B. IL-17a-Hemmer). Sie verhindern, dass der entzündungsauslösende Botenstoff des Immunsystems ausgeschüttet wird. Der Entzündungsprozess wird unterbrochen, Schmerzen und Schwellungen der Gelenke gehen zurück. Um die erzielten Verbesserungen aufrechterhalten zu können, muss die Therapie langfristig fortgeführt werden.
Bei vielen Betroffenen haben die Medikamente zu einer erheblichen Schmerzreduktion und somit verbesserten Lebensqualität geführt. Der Nutzen sollte jedoch, wie bei allen Medikamenten, sorgfältig mit den Risiken abgewogen werden. Zu den wichtigsten Nebenwirkung der Biologicas gehört die Schwächung der Immunabwehr und eine Zunahme der Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Da man noch wenig über mögliche gefährliche Langzeitwirkungen weiß, sollten die Medikamente nur bei Patienten eingesetzt werden, bei denen alle üblichen Therapien nicht ausreichend gewirkt haben.
Voraussetzung für den Einsatz von Biologicas ist:
- die gesicherte Diagnose Morbus Bechterew seit mindestens einem halben Jahr,
- eine hohe Krankheitsaktivität (BASDAI mindestens 4) trotz hoher Dosis von zwei nacheinander versuchten NSAR,
- noch keine vollständige Versteifung der Wirbelsäule
Reine Schmerzmittel
Im Spätstadium beruhen Schmerzen oft nicht auf einer Entzündung, sondern entweder auf fehlhaltungsbedingten Muskelverspannungen oder auf noch nicht verheilten (durch Osteoporose bedingten) feinen Rissen in einem Wirbelkörper. In diesen Fällen helfen einfache Schmerzmittel (z. B. mit dem Wirkstoff Paracetamol) wirksamer als entzündungshemmende Antirheumatika, und man umgeht deren Risiken, die mit dem Alter noch zunehmen.
Es gibt eine Vielzahl von Therapiemethoden, die bei Morbus Bechterew zu einem besseren Befinden beitragen können. Obwohl die Wirksamkeit alternativer Methoden wissenschaftlich oft nicht einwandfrei bewiesen ist, gelingt es vielen Patienten, mit Hilfe von ganzheitlichen Therapien und Methoden die Krankheit soweit in den Griff zu bekommen, dass sie auf die Einnahme von Rheuma-Medikamenten weitgehend verzichten können. Ob und welche Methode geeignet ist, hängt von Ihrer Krankheitsaktivität und Ihren Präferenzen ab.
Bitte beachten Sie: Diese Methoden ersetzen in keiner Weise die Bechterew-Bewegungstherapie. Sie sind vielmehr als Ergänzung gedacht.
Alternative Behandlungsmethoden (Komplementärmedizin), die bei Morbus Bechterew Erleichterung versprechen, sind:
- Osteopathie
- Traditionelle Chinesische Medizin (Akupunktur, Kräutertherapie)
- Homöopathie
- Behandlung mit Pflanzenpräparaten (Phytotherapie)
- Radon-Therapie
- Neurokognitiven Therapie nach Dr. Ekkehard Wüst
Weitere ganzheitliche Ansätze:
- Autogenes Training
- Atemtherapie
- Kneipp-Anwendungen
Therapeutischen Bewegungsmethoden:
- Yoga
- Pilates
- Qigong
- Tai-Chi
Operationen spielen in der Behandlung des Morbus Bechterew nur selten eine Rolle, können aber in schweren Fällen eine ganz große Hilfe sein. Wenn die Beweglichkeit der Hüftgelenke wiederhergestellt werden muss, kann es nötig sein, ein künstliches Hüftgelenk (Endoprothese) einzusetzen. Auch Operationen am Knie- oder Handgelenk können beim Morbus Bechterew notwendig werden. Wichtig ist hierbei: alle diese Operationen bei Morbus Bechterew gehören in die Hände eines erfahrenen Rheumaorthopäden oder -chirurgen.
Die schlimmste Behinderung, die eine ankylosierende Spondylitis verursachen kann, ist die Versteifung des Rückens in gekrümmter, vornüber geneigter Stellung (Kyphose). Früher war dies bei Morbus-Bechterew-Patienten häufig. Heute kann ein solcher Verlauf durch rechtzeitige Diagnose, richtige Behandlung und intensive Mitarbeit des Patienten meist verhindert werden. Eine Aufrichtungsoperation kann die letzte Rettung sein, wenn
- der Patient so stark verkrümmt ist, dass er sich auf der Straße nicht mehr orientieren kann,
- ihm der Blickkontakt zu anderen Menschen nicht mehr möglich ist,
- die Haltung zu medikamentös nicht beherrschbaren Schmerzen führt,
- die Nahrungsaufnahme und die Funktion innerer Organe beeinträchtigt ist, oder
- die fehlerhafte Statik zu einer Schädigung der Hüft- und Kniegelenke führt.
Die Methoden der Wirbelsäulenchirurgie wurden in den darauf spezialisierten Kliniken so weit verbessert, dass selbst eine so schwere Operation heute ohne allzu großes Risiko durchgeführt werden kann. Hinweise auf entsprechende Kliniken gibt die DVMB-Geschäftsstelle.
Bei allen orthopädischen Operationen entscheidet die konsequent durchgeführte krankengymnastische Nachbehandlung mit über den Operationserfolg.